UNItopia News: Brett Smalltalk, Gruppe Maerchen, Artikel 131

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Titel: Schneckengeschichten I. und II.
Artikel: 131                                           Bezug: 0
Verfasser: Morla                                       Datum: 03.12.00 19:28:31
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Es begab sich zu einer Zeit, da die Welt kurz vor dem Untergang stand und von
vielen schlimmen Dingen belebt wurde. Viele Menschen, Tiere und Pflanzen
starben aus den verschiedensten Gruenden. UEberall zeichnete sich Leid ab. Es
gab jedoch auch noch wenige Flecken auf der Welt, die davon noch nicht bedroht
waren, jedenfalls nicht so schnell. Mit der Zeit wird sich auch das aendern,
aber noch lebte es sich dort ganz gut.

Auf einem solchen Flecken, mitten im Walde auf einer kleinen Lichtung, da
wohnte eine kleine Schnecke. Sie lies es sich gut gehen, so gut sie konnte,
verbrachte jedoch die meiste Zeit in ihrem Haus, da sie eine schreckliche Angst
vor den schlimmen Dingen, die um sie herum passierten, hatte. Die kleine
Schnecke war nicht dumm und sah das viele Leid, aber dagegen tun konnte sie
nichts. Sie dachte viel nach in ihrem Haus, ueber sich und das was ueberall
geschah, und das Einzige was ihr einfiel, wie sie dem Ganzen entgegen treten
konnte, war, dass sie selbst nie so sein wolle. Demnach arbeitete sie hart an
sich, um all das was sie fuer schlecht befand nicht in sich zu tragen. Dabei
bemerkte sie gar nicht, dass sie viel zu viel alleine war und sich von den
anderen Schnecken abgrenzte. Mit der Zeit war das fuer sie normal und ein
Zustand, in dem es ihr schwer fiel, sich das anders vorzustellen. Immer
seltener kam sie aus ihrem Haus heraus. Zumeist nur, um sich mit Nahrung zu
versorgen und die wichtigsten Beduerfnisse zu erfuellen.

Eines Tages, wie die kleine Schnecke so auf der Wiese war und sich genuesslich
eine Mahlzeit goennte, da tauchte ploetzlich eine andere Schnecke vor ihr auf.
Diese Schnecke laechelte sie froehlich an und schaute neugierig auf die
schmatzende  Schnecke. Die schmatzende Schnecke war fasziniert von der
Froehlichkeit der anderen Schnecke und gab ihr ein klein wenig von ihrem Essen
ab, was diese gerne annahm. Beide zusammen schmatzten sie nun laut und
erzaehlten sich dabei lustige Dinge, wobei die froehliche Schnecke natuerlich
viel mehr zu erzaehlen wusste, wie
die einsame Schnecke. So etwas hat die einsame Schnecke schon lange nicht mehr
erlebt.

Von nun an sahen sich die Beiden des oefteren auf diesem Flecken und erfreuten
sich an der schoenen Landschaft, fuehrten lustige Gespraeche, spielten viel und
genossen die neugewonnene Freundschaft. Die Treffen wurden immer haeufiger und
die Beiden kamen sich immer naeher.

An einem schoenen sonnigen Tage, da zogen die beiden Schnecken los und
erkundeten die Gegend. Sie krochen langsam durch das Gras bis sie am Rande der
Lichtung angekommen waren, machten dort ein gemuetliches Picknick und zogen
weiter in den Wald hinein. Dabei hatten sie sich viel zu erzaehlen, waren
ausgelassen wie lange nicht mehr und bestaunten die vielen unterschiedlichen
Pflanzen und Tiere die im Wald lebten. Am Abend dann, als sie wieder auf der
Lichtung angekommen waren und sich verabschiedeten, stellten beide ueberrascht
fest, dass sie sich doch schon sehr mochten und sich kaum noch vorstellen
konnten ohne den Anderen zu leben. Mit leicht geroeteten Gesichtern
verabschiedeten sie sich voneinander und versprachen sich gegenseitig sich bald
wiederzusehen.

Die Zeit verging.

Immer wieder trafen sich die Zwei auf der Lichtung und spielten ihre Spiele die
teilweise schon sehr tief in ihre Gefuehlswelt blicken liessen. Es herrschte
Freude und Glueck und die einsame Schnecke war nun gar nicht mehr einsam,
sondern fuehlte sich frei und geloest wie schon lange nicht mehr. Noch vor
einiger Zeit haette sie sich das alles gar nicht vorstellen koennen. Das
Glueck, die Freude, die Unbeschwertheit. Das alles und dieses Gefuehl geliebt
zu werden und das auch erwidern zu koennen, dies war ihr nun so wichtig, dass
sie dafuer alles gegeben haette.

Mittlerweile verbrachten beide kaum noch Zeit in ihren Haeusern, sondern tobten
wild auf der Wiese rum. Genossen es draussen zu sein und miteinander das Leben
zu verbringen.

Als es an der Zeit war den zweiten grossen Ausflug zu planen, da kam die
froehliche Schnecke mit einem ganz ernsten und traurigen Gesicht an. Sie war
sehr nachdenklich gestimmt und stellte mit Bedauern fest, dass es so nicht
weiter gehen koenne. Sie koenne das alles nicht mehr mit ihrem Gewissen
vereinbaren und die Schnecken mit denen sie befreundet war, die haetten alle
etwas dagegen was sie hier auf der Lichtung so treibe. Die einsame Schnecke
koennen sie nicht leiden, weil sie nicht zu ihrem Clan gehoere und sich nicht
an die gleichen Grundsaetze halte wie es der Clan vorsieht. Also muesse sie das
alles beenden, so leid es ihr taete. Aber, ab und zu koenne man sich ja aus der
Ferne einander Gruessen, das wuerde ihr doch sehr gefallen.

Voellig entgeistert und dem Schock nahe, nahm die nun wieder einsame Schnecke
das wahr und nickte leise. Sie koenne der traurigen Schnecke nicht vorschreiben
wie sie ihr Leben zu gestalten habe, aber sie wuensche sich doch sehr, dass
dieses Glueck nicht beendet sei. Noch trauriger wie zuvor ging die ehemalige
froehliche Schnecke wieder nach Hause und verkroch sich dort in ihrem Haus, um
den Schmerz und die Trauer zu verbergen. Sie lebte von nun an sehr hektisch und
ausgelastet, damit sie sich nicht mehr an das Vergangene erinnern musste.

Es kam jedoch vor, dass sie am Rande der Lichtung stand und der einsamen
Schnecke zuwinkte, die dort immer noch, fernab vom eigenen Hause, auf der
Lichtung lag und es vor lauter Trauer und Traenen gar nicht mehr nach Hause
schaffte.
...

...
Die auf der Lichtung liegende Schnecke nahm diese Winkzeichen durchaus wahr,
doch fand sie nur nicht recht die Kraft sich wieder zu erheben, um ihren Weg
weiterzugehen.

Mit der Zeit, als die Trauer allmaehlich nachliess und die Traenen versiegten,
gewann sie aus diesen Zeichen wieder neuen Mut und erhob sich langsam. Sie sah,
dass sie nicht vollstaendig vergessen wurde und redete sich gut zu, damit sie
die Kraft haben koenne diesen Teufelskreis zu durchbrechen.

So ergab es sich, dass ihr ab und an ein kleines Laecheln ueber das Gesicht
huschte, und das, obwohl sie weiterhin auf der Lichtung blieb und nicht in ihr
Haus zurueckkehrte. Wenn dann voellig unverhofft, die andere Schnecke ihr
zuwinkte, so freute sie sich wieder und winkte froehlich zurueck. Dieses gab
ihr Kraft und Mut und die Hoffnung die sie brauchte.

Zeitweilig kam es ihr sogar vor, die andere Schnecke faende genauso viel
Vergnuegen an dem Winken. Und da es ihr so schien, ging sie jedes Mal ein klein
wenig mehr auf sie zu, und manchmal wagte sie es sogar von sich aus zu Winken,
woraufhin die andere Schnecke manchmal reagierte und ebenso winkte.

In dem Glauben sie sei nun doch nicht vergesse, erhob die einsame Schnecke sich
immer weiter und wurde auch immer mutiger bei ihren versuchen die andere
Schnecke auf sich aufmerksam zu machen.

Was ihr dabei voellig entging, war der Umstand, den die andere Schnecke in sich
trug. Sie wusste nicht so recht was sie wollte. Einerseits war da eben ihr
Clan, der nichts von der einsamen Schnecke wissen wollte, und andererseits war
da ihr Herz, das voellig anders fuehlte. Sie wusste aber auch, wenn sie dem
Herz nachgab, dann wuerde sie alles aufgeben was ihr bisheriges Leben
ausmachte, denn solches Getue wuerde nicht geduldet werden. Der Zwiespalt war
gross in ihr.

Und so kam es auch, dass sie wieder den Abstand vergroesserte und immer
seltener auf das Winken der nun stehenden Schnecke reagierte. Ihr Gewissen dem
Clan gegenueber wurde erneut staerker und somit die Entfernung groesser.

Dies alles bekam die Schnecke auf der Lichtung natuerlich nicht so recht mit.
Sie war froh, ab und an ein kleines Stueck Glueck sehen zu koennen und freute
sich sosehr ueber die seltenen Zeichen, dass sie nicht mitbekam wie sie immer
seltener wurden.

Eines Tages nun, da passierte es, dass die einsame Schnecke die Clan-Schnecke
ueber die Wiese laufen sah. Sie schien froehlich zu sein und sie war nicht
alleine. Eine andere Schnecke begleitete sie. Froehlich liefen die zwei ueber
die Wiese und beachteten die einsame Schnecke ueberhaupt nicht, wie sie da
mitten auf der Wiese aufrecht sass und die Beiden beobachtete. Erneut wurde die
aufrechtsitzende Schnecke zu Boden geworfen. Kein Zeichen, nichts war zu sehen.

Mit aller Kraft rappelte sich die liegende Schnecke wieder auf und lieft
eiligst von der Lichtung nach Hause, in ihr Schneckenhaus. Dort trauerte und
weinte sie nun ganz allein und Wut stieg in ihr auf. Eine Wut wie sie es bisher
noch nicht erlebt hatte bemaechtigte sich ihrer.

Noch am gleichen Tag rannte sie in ihrer Wut auf die Lichtung und wartete ab,
bis sie die froehliche Schnecke sah. Schrill schrie die wuetende Schnecke der
froehlichen Schnecke zu (Was sie so alles laut hinausschrie soll an dieser
Stelle nicht naeher ausgefuehrt werden, es waren jedoch nicht die schoensten
und angenehmsten Dinge die man einer anderen Schnecke zurufen kann).

Die froehliche Schnecke, welche die lauten Schreie hoerte, fasste sich ans Herz
und lauschte diesen Schreien und versuchte zu verstehen was denn die wuetende
Schnecke so wuetend machte. Jedoch schaffte sie es nicht, so dass sie nur
abwinkte und weiter ihres Weges zog.

Enttaeuscht zog sich die noch immer wuetende Schnecke wieder mal in ihr Heim
zurueck und wartete ab, bis sich die Wut legen wuerde und bis die Traenen
versiegen wuerden.

Wie das nun mal so ist, vergeht auch der groesste Schmerz mit der Zeit. Und als
der Schmerz langsam nachliess, da hatte die traurige Schnecke eine Idee wie sie
mit alledem fertig werden koenne. Sie nahm sich vor, das alles nicht zu
verdraengen oder zu vergessen, sondern es so zu verarbeiten, so dass nichts
Schlechtes mehr in ihr uebrig blieb und sie sich an das Schoene das war  gerne
erinnerte.

Das war natuerlich leichter gedacht als getan.

Sie versuchte die andere Schnecke zu verstehen, ihre Situation und wie sie
damit umging. Und je mehr sie versuchte zu verstehen, umso leichter fiel es
ihr, der Clan-Schnecke zu verzeihen und ihr dennoch alles Gute zu wuenschen.

Monate vergingen.

Die ehemals einsame Schnecke bewegte sich nun relativ haeufig ausserhalb ihres
Hauses und hegte nun regen Umgang mit den anderen Schnecken. Sie mochte es mit
ihnen zu spielen und anregende Unterhaltungen zu fuehren. Nur noch selten sass
sie allein in ihrem Haus und gruebelte dort ueber das Wie und Warum nach.

Ab und an wagte sie sich sogar wieder auf die Lichtung und schaute nach, ob
denn die Clan-Schnecke zu sehen sei. An manchen Tagen bekam sie sie zu Gesicht
und ab und zu wagte sie es gar ihr zuzuwinken.

Gerne haette sie der anderen Schnecke mitgeteilt, dass die nun drueber weg sei
und wenn die andere Schnecke es mochte, koennten sie sich ja auch wieder
unterhalten.

Aber die Gelegenheit dazu bekam sie nicht. Die andere Schnecke war noch immer
mit dem Verdraengen beschaeftigt und jedes Wort haette es ihr noch schwerer
gemacht. Sie zog es vor zu schweigen.
...


Morla